Hosenbiene (Dasypoda hirtipes) – Männchen, auf  gelber Blüte

Emma, die Sandbiene

Eine Lerngeschichte von Ilse Westerbarkei

Beobachtungen im Sommer auf einer Dünenfläche

Gestern sah der Sandplatz noch so aus wie immer. Eine vom Wind glattgefegte, fast ebene trockene Fläche.

Heute Vormittag, bei strahlendem Sonnenschein, sehe ich kleine helle Erdhäufchen auf dem Sand. Hier eines, da eines und dort etwas mehr krümeliger Sand. An anderer Stelle sind auch bei einigen Grasbüscheln mehrere, ganz frisch entstandene Sandhäufchen.

Ich werde neugierig und schaue sie mir genauer an.

Auf der Spitze dieser Häufchen befindet sich eine kleine Öffnung. Sie ist fast ganz rund. Irgendwie erinnert diese Form an einen Vulkan mit Krater obenauf. Ich frage mich: „Wer macht denn diese kleinen Hügel?“

Sie müssen auch recht tief in die Erde hineinreichen, weil ja aus dem Erdinneren der weiße Dünensand hervorgebracht wurde, der sich hell von dem dunkleren Sand abhebt.

Mein Blick fällt auf die daneben liegende Sommerwiese. Sie ist in den letzten Jahren kaum gedüngt worden. Einmal jährlich haben wir sie abgemäht, und auch unsere Maja hat die ihr am besten schmeckenden Gräser mit abgefressen.

Maja, ach so, ihr wisst ja gar nicht, wer Maja ist. Maja ist eine Haflingerstute mit einem wunderschönen hellen Schweif und einer noch helleren blonden Mähne. Haflingerpferde sind Bergpferde und sehr genügsam. Maja darf keine fett gedüngte Wiese zum Grasen haben, weil sie dann krank wird. Genauso, wie wir Menschen, wenn wir zu viel essen. Wir werden dann dick und die Gelenke schmerzen.

In den letzten Jahren hat sich die Wiese verändert. Früher blühten im Frühjahr viele gelbe Blumen dicht an dicht in ihr. Das war der Löwenzahn, auch Pusteblume oder Kuhblume genannt. Zuviel Löwenzahn in der Wiese zeigt uns an, dass noch sehr viel Nährstoffe im Boden vorhanden sind. Die Blattrosette des Löwenzahns unterdrückt aber den Aufwuchs anderer Pflanzen und Blumen. Dadurch ist die Wiese dann sehr eintönig und hat nicht so viele verschiedene Pflanzenarten. Aber jetzt haben sich viel mehr unterschiedliche blühende Blumen dort angesiedelt.

An dem angrenzenden schattigen Waldrand wachsen Lichtnelke, Taubnessel, Giersch, Brennnessel, Kleine Bibernelle und auch noch andere. Auf der etwas höher gelegenen trockeneren und nährstoffärmeren Fläche blühen jetzt kleinere gelbe Blumen, diese heißen „Ferkelkraut“. Das ist ein witziger Name für eine Blume. Aber früher, als die Bauern ihre Schweine noch in den Wald getrieben haben, sind die Wurzeln dieser Blume gern von den Schweinen gefressen worden. Daher hat sie den volkstümlichen Namen „Ferkelkraut“ erhalten. Dazwischen wächst der Hasenklee, das Fingerkraut, Mauerpfeffer, der kleine Ampfer, Spitzwegerich und noch viele, die ich nicht kenne. Durchsetzt ist die Wiese von Wald- und Wiesengräsern. Auch einige kleine bunte Schmetterlinge fliegen in dieser Wiese und suchen auf den Blüten nach Nektar.

Es ist ein wunderschöner Anblick.

Auf zahlreichen Blüten sehe ich Bienen. Sie fliegen sehr schnell von Blüte zu Blüte. Einige von ihnen haben bereits ihre gelben Hinterbeinchen vollgeladen mit gelben Blütenpollen des Ferkelkrautes. Ihre Beinchen sehen aus als hätten sie gelbe Schwimmflügel angezogen. Ich beobachte, dass immer die gleichen gelben Blumen von den Bienen angeflogen werden, ganz zielgerichtet und sehr schnell fliegen sie von einer Blüte zur anderen.

Ich gehe ins Haus und schaue in einem Buch nach, in dem ganz viel über Wildbienen geschrieben ist. Vielleicht kann ich etwas über meine Biene erfahren.

Es ist sehr schwer, meine Biene, die ich auf der Wiese beobachtet habe, mit der Beschreibung im Buch zu vergleichen. Ganz sicher bin ich noch nicht, aber es könnte sich wohl um eine Wildbiene handeln, die eben diese gelben Blüten zum Sammeln des Pollens bevorzugt. Ich präge mir das Aussehen der im Buch abgebildeten Wildbiene ein und gehe noch einmal zurück zur Wiese.

Aber welch eine Enttäuschung.

Die vorher noch zahlreichen gelben Blüten auf der Wiese sind nicht mehr da; zumindest sieht es so aus. Die Blütenköpfe haben sich geschlossen, als wenn sie jetzt ihren Mittagsschlaf halten würden. Ich kann auch keine Biene mehr entdecken. Für heute gibt es für mich nichts mehr zu beobachten.

Am nächsten Tag gehe ich zeitig zur Sandfläche und sehe, dass einige Hügel keine Öffnungen haben oder für die Nacht verschlossen wurden.

Ganz vorsichtig nähere ich mich dem nächsten Hügel mit einer ca. 1 cm großen Öffnung und bemerke, dass sich darin etwas bewegt. Ein kleines Köpfchen versucht nach außen zu kommen, zieht sich aber sofort wieder zurück. Vielleicht bin ich zu nahe herangetreten. Ich bleibe jetzt reglos stehen, und nach einer Weile wagt sich dieses kleine Tier wieder hervor und krabbelt auf den Rand des Hügels. Jetzt kann ich erkennen, dass es eine der vielen Bienen von gestern ist, die auf den gelben Blüten gesessen haben. Schnell fliegt sie fort in Richtung Blumenwiese.

Sie ist die erste von mir entdeckte Sandbiene mit großen Haarbüscheln an den Hinterbeinen. Diese Haarbüschel sehen aus wie eine kleine Bürste und dienen zum Sammeln der Blütenpollen. Ich nenne meine erste von mir entdeckte Sandbiene „EMMA“.

Wie ich später in einem großen Bienenbuch nachlese, heißen diese Sandbienen mit den Haarbürsten an den Hinterbeinen „Hosenbiene“ und dass sie immer im Sand nisten.

Eine ganze Weile warte ich noch auf EMMA, denn irgendwann muss sie ja genug Pollen gesammelt haben und zu ihrem Nest zurückkehren. Ich warte bereits eine halbe Stunde, doch EMMA kommt nicht zurück.

Inzwischen kehren andere Hosenbienen mit großen, pollenbeladenen Hinterbeinchen zu ihren eigenen Nestern zurück. Es vergeht eine weitere halbe Stunde, aber von EMMA keine Spur. Wo ist sie geblieben? Ist ihr etwas zugestoßen?

In der Sommerwiese gibt es auch viele Spinnen mit ihren kunstvoll gebauten Radnetzen. In diesen könnten sich auch Bienen verfangen und dann von den Spinnen als Nahrung verzehrt werden.

Ich bin sehr traurig, weil ich glaube, dass ich EMMA nicht wiedersehe. Aber dann tröste ich mich mit dem Gedanken, dass es auch sein kann, dass EMMA an anderer Stelle eine eigene Brutröhre in den Sand buddelt und das frühere Einflugloch nur als Schlafplatz benutzt hatte. Dieser Gedanke gefällt mir und ich glaube, dass EMMA noch lebt und munter dabei ist, Pollen zu sammeln.

Ich beobachte nun die anderen von ihren Sammelflügen zurückkehrenden Bienen. Eine fliegt im Zick-Zack-Flug über die offene Sandfläche und sucht offensichtlich ihr Nest mit der kreisrunden Öffnung. Dann setzt sie sich auf den warmen Sand. Ihre Hinterbeinchen sind voll beladen mit gelbem Blütenpollen. Ist sie müde vom Sammeln? Nach einigen Sekunden erhebt sie sich wieder, fliegt zu einem Grasbüschel und sucht dort nach dem Einflugloch ihres Nestes. Auf einmal ist sie verschwunden. Blitzschnell ist sie in ihre Röhre hineingekrochen. Nach kurzer Zeit krabbelt sie langsam wieder heraus. Die gelben Pollen an ihren Beinchen sind nicht mehr vorhanden, sie sind im Nest von ihr abgestreift worden. Ganz schnell fliegt die Biene zurück zur Wiese.

Jetzt weiß ich ganz genau, dass diese Bienen die beschriebenen Hosenbienen sind und dass sie hier im Sand ihre Nester anlegen. Tief unten in der Röhre legt sie dann Brutkammern an, bringt dort hinein den gesammelten Blütenpollen und legt darauf dann ein Ei.

Warum macht sie das ausgerechnet auf unserer Sandfläche?

Unsere Stute Maja hat im Laufe der Zeit mit ihren Hufen die Erde ziemlich festgetreten und von Bewuchs fast freigehalten. Die Sonne wärmt diese Sandfläche schnell auf und es ist hier immer ziemlich trocken. Es ist ja auch kein Dünger und keine giftiges Spritzmittel auf die Sandfläche gebracht worden.

EMMA und ihre große Familie haben das instinktiv gemerkt und sich diesen Standort als Lebensraum ausgewählt.

Ihr müsst euch das so vorstellen, dass die unterirdische Röhre einige Abzweigungen hat und diese nach und nach von der Biene in Brutkammern eingeteilt wird. In jede Brutkammer trägt die Biene den Pollen der gelben Blumen und legt hierauf ein Ei. Dann verschließt sie die Brutkammer mit Sand. Danach arbeitet sie sofort an der nächsten weiter. Insgesamt kann sie am Tag etwa 3–4 Brutkammern herstellen. Je nachdem, ob schönes Wetter ist oder nicht. Denn nur bei warmem, sonnigem Wetter blühen die gelben Blumen mehrere Stunden am Tag. An dunklen, regnerischen Tagen legen EMMA und die anderen Bienen eine Ruhepause ein und verbringen die Zeit in ihrer Röhre.

Ganz bemerkenswert finde ich die enorme Grabtätigkeit dieser kleinen Tiere. Die fertige Röhre ist etwa 40–50 mal so lang wie die Biene selber ist. Wenn ich das auf mich übertrage, so müsste ich mit meinen Händen eine Röhre graben, die etwa 80–90 Meter lang wäre. Sie müsste auch so groß sein, dass ich hineinkriechen könnte.

Nach einigen Wochen werden die Flüge der Bienen weniger, denn viele Bienenmütter haben ihre Arbeit getan und die Brutröhre fertiggestellt. Zum Abschluss verschließt die Biene den Ausgang, so dass man das kreisrunde Loch nicht mehr erkennen kann. Dadurch ist das Nest vor Eindringlingen und Fressfeinden gut geschützt.

Die Nächte werden nun schon kühler und der Sommer geht langsam zu Ende. Alle Bienenmütter, auch EMMA, verbringen die Nächte jetzt außerhalb ihres Nestes im Gras oder in einer Blüte. Sie werden immer weniger herumfliegen; bis sie schließlich ganz fest eingeschlafen sind und den Herbst und Winter nicht mehr erleben. Sie werden auch ihre Kinder, die im kommenden Jahr ausfliegen, nicht mehr sehen.

Erst im nächsten Sommer krabbeln nach und nach die Kinder der Bienen, auch die von EMMA, als fertige Bienen aus der Brutröhre heraus. Zuerst die Männchen, dann die Weibchen. Sofort fangen die Weibchen an, genauso wie im vergangenen Sommer ihre Mütter, Röhren zu graben und Pollen zu sammeln. Es ist ganz erstaunlich, dass alle Bienen genau wissen, was sie tun müssen. Ihre Mütter konnten es ihnen ja nicht zeigen.

Ich habe mir vorgenommen, gut aufzupassen, dass bis zum nächsten Sommer die Sandfläche mit den Brutröhren erhalten bleibt und niemand dort Dünger drauf streut. Auch müssen die Blumen am Rand der Wiese wachsen können und dürfen nicht abgeschnitten werden. Die neu geschlüpften Bienen müssten sonst sehr weit fliegen und sich andere Blumen mit Blütenpollen suchen.

Durch meine Beobachtungen habe ich gelernt, dass es Bienen gibt, die alleine leben und selbst für sich sorgen. Sie produzieren keinen Honig und stechen auch nicht. Sie besitzen wohl einen Stachel, benutzen ihn aber nur im äußersten Notfall. Instinktiv wissen sie wohl, dass sie beim Stechen ihren Stachel verlieren und dann sterben würden. Als Folge könnte die angefangene Brutröhre mit den bereits abgelegten Eiern nicht zu Ende gebaut werden. Diese Biene hätte dann keine Nachkommen.

Von jeder Hosenbiene entwickeln sich etwa 4–8 Nachkommen. Mit ganz viel Glück werden durchschnittlich die Hälfte davon heranwachsen, selber wieder Brutröhren bauen, hierin die gelben Pollen eintragen und darauf dann die Eier ablegen.

Jedes Jahr im Sommer können wir dann beobachten, wie diese neuen Bienen von einer Blüte zur anderen fliegen und dann mit ihren dick mit Pollen beladenen Beinchen in ihre Brutröhren krabbeln.

© 2008ff Text: Ilse Westerbarkei
Fotos: Josef Thomalla

Hosenbiene (Dasypoda hirtipes) – Weibchen auf gelber Blüte.
Ist eine von den beiden vielleicht „EMMA“? Was meint ihr?